Biodiversität – investieren in natürliche Vielfalt

Alle reden vom Klimawandel. Aber wusstest du, dass die Biodiversitätskrise eine noch viel größere Herausforderung für uns Menschen darstellt? Wenn nicht, bist du damit nicht alleine: Die meisten Menschen können damit erst mal nicht viel anfangen. Lange Zeit wurde das Thema von Politik und Massenmedien völlig vernachlässigt, und so bildet sich erst langsam überhaupt ein Bewusstsein in der breiten Bevölkerung. Dabei befinden wir uns laut Wissenschaftlern bereits mitten im sechsten Massenaussterben! Und während an den ersten fünf Meteoriteneinschläge oder Vulkanausbrüche Schuld waren, ist es diesmal der Mensch.

In diesem Beitrag liest du:

 

Was bedeutet Biodiversität?

Biodiversität bedeutet biologische Vielfalt: die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten. Diese Vielfalt funktioniert im Dreiklang:

    • Vielfalt der Arten
    • Vielfalt innerhalb der Art
    • Vielfalt der Ökosysteme

 

 

Vielfalt der Arten

Circa 1,8 Millionen bekannte Arten gibt es auf der Welt, und es werden laufend neue entdeckt! Wissenschaftler gehen davon aus, dass insgesamt circa 2 bis 10 Millionen oder noch mehr Arten den Planeten bevölkern. Wie lang noch? Aktuell sind laut einem neuen Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES eine Million Arten akut vom Aussterben bedroht! Dazu gehören bekannte wie der Berggorilla und das Spitzmalnashorn aber auch kleine unscheinbare Tiere wie viele Amphibien und Insekten, sowie Pflanzen. Wir können aber auf all diese Arten nicht so einfach verzichten! Denn die Natur ist ein komplexes Geflecht von wechselseitigen Beziehungen. Manche Arten dienen zum Beispiel als unverzichtbare Nahrung für andere – stirbt der eine aus, kann auch der andere nicht überleben.

 

Vielfalt innerhalb der Art

Reicht es, von jeder Art ein paar Exemplare am Leben zu erhalten, zum Beispiel in Zoos und botanischen Gärten? Klares nein! Die genetische Vielfalt innerhalb einer Art ist die zweite Säule der Biodiversität. Dazu braucht es einen ausreichend großen Bestand (Genpool) an einzelnen Tieren / Pflanzen („Individuen“) innerhalb der Art. Wenn es nur noch wenige Individuen einer Art gibt, und diese sich genetisch zu sehr ähneln (Inzucht), können Krankheitserreger viel massiveren Schaden anrichten.

 

Vielfalt der Ökosysteme

Jede Art ist an ihren Lebensraum angepasst. Die unterschiedlichen Lebensräume und deren Lebewesen mit all ihren Interaktionen bezeichnet man als Ökosystem: Regenwald, Wüste, Moore, Korallenriffe…

Der Eingriff der Menschen in diese Ökosysteme – durch Verschmutzung, Bebauung, Landwirtschaft, Fischerei, Abbau von Rohstoffen usw. verursacht mehr oder weniger massive Verluste der Artenvielfalt und der genetischen Vielfalt.

 

Was geht uns Menschen die Biodiversität an?

Funktionierende Ökosysteme sind überlebenswichtig für uns Menschen. Unter vielen anderen Dingen leisten sie für uns:

    • Bildung von fruchtbaren Böden und Photosynthese: ohne wäre kein Leben auf unserem Planeten möglich und leider kann der Mensch weder das eine noch das andere selbst tun
    • Versorgung mit Nahrung, Rohstoffen, Süßwasser, Arzneimitteln
    • Regulierung des Klimas, der Luft- und Wasserqualität
    • Abmilderung extremer Wetterereignisse
    • Erholung, Gesundheit

All diese „Ökosystemleistungen“ sind also im Grunde unbezahlbar. Noch dominiert aber eine stark verengte Sichtweise, die den Wert von Dingen fast ausschließlich ökonomisch definiert. Noch werden die Schäden, die wirtschaftliche Aktivitäten an Ökosystemen anrichten, kaum berücksichtigt und fließen nicht in den Preis von Gütern und Dienstleistungen ein. In anderen Worten: umweltzerstörendes Wirtschaften lohnt sich (finanziell)!

Um den ungeheuren Wert der Ökosysteme für uns Menschen begreifbar zu machen, versuchen Wissenschaftler deshalb, einen monetären Wert für verschiedene Ökosystemleistungen auszurechnen. Zum Beispiel: Laut Berechnungen des Weltbiodiversitätsrats wachsen dank der direkten Bestäubung durch Insekten und andere Tiere jährlich Nahrungsmittelpflanzen mit einem weltweiten jährlichen Marktwert von 200 bis zu über 500 Milliarden Euro.

 

 

Verlust der Vielfalt: die schlimmsten Treiber

Wie auch das Geflecht der Wechselwirkungen innerhalb eines Ökosystems, sind die Ursachen für die Störungen und Zerstörungen vielfältig. Als maßgebliche Faktoren werden genannt:

    • Übernutzung von Land und Meeren (zum Beispiel durch Fischfang, intensive Landnutzung mit Monokulturen und Pestiziden, Flächenversiegelung für Wohnraum und Straßen)
    • Ausbeutung der Natur (zum Beispiel durch Zerstörung von Lebensräumen zur Ressourcengewinnung und Anbau von Futtermitteln)
    • Umweltverschmutzung (zum Beispiel durch Plastik, ungeklärte Abwässer, Öl und Giftstoffe von Schiffen)
    • Klimawandel
    • Invasive Arten (die Verdrängung heimischer durch fremde Arten)

Besonders tragisch: Diese Ursachen hängen auf vielfältige Weisen miteinander zusammen. Zum Beispiel verschärft die Abholzung von Wäldern den Klimawandel. Die veränderten Temperaturen wiederum verschieben Fortpflanzungszyklen und reduzieren das Nahrungsangebot für viele bedrohte Tierarten.

Aber das Gute daran ist: was gegen das eine Problem hilft, hilft oftmals auch gegen das andere – ein spannendes Konzept in diesem Zusammenhang sind naturbasierte Lösungen.

 

Was sind naturbasierte Lösungen?

Lösungen, die von der Natur inspiriert und unterstützt werden, die kosteneffizient sind, gleichzeitig ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile bieten und zum Aufbau von Resilienz – also Widerstandsfähigkeit – beitragen.

Naturbasierte Lösungen zielen darauf ab, ein Problem ganzheitlich zu lösen und betrachten es deshalb aus allen Perspektiven:

    • ökologisch
    • sozial
    • wirtschaftlich.

Deswegen sind die entsprechende Projekte oft so aufgebaut, dass die lokale Bevölkerung einbezogen wird und Vorteile für sich wahrnehmen kann. Das können zum Beispiel neue Einkommensquellen sein, besserer Schutz vor Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder allgemein eine gesteigerte Lebensqualität.

Einige Beispiele für naturbasierte Lösungen:

    • Wiederaufforstung
    • Moorschutz
    • Agroforstwirtschaft (Anbau von Nahrungsmitteln oder Tierhaltung in Wäldern)

 

 

Klimaneutral reicht nicht – wir brauchen naturpositiv

Bis hierher dürfte klar geworden sein, dass es nichts bringen wird, sich ausschließlich auf den Klimawandel zu konzentrieren. Da sich Klima- und Biodiversitätskrise gegenseitig befeuern, sprechend Wissenschaftler gerne von der Zwillingskrise – eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.

Um diese Krise zu meistern, brauchen wir auf allen Ebenen naturpositive Prozesse, Produkte und Strukturen. Ein Unternehmen zum Beispiel, das naturpositiv wirtschafteten möchte, reduziert nicht nur so weit wie möglich seinen Fußabdruck entlang seiner gesamten Wertschöpfungskette. Es leistet zusätzlich einen konkreten und messbaren Beitrag für den Erhalt von Biodiversität – zum Beispiel durch direkte Finanzierung von entsprechenden Projekten.

Und auch wir als Privatpersonen sollten überlegen, wie „naturpositiv“ wir unterwegs sind. Es genügt nicht, unseren (fiktiven) CO2 Fußabdruck auszurechnen, auf E-Auto und Strom aus erneuerbaren Energien umzusteigen. Biodiversität ist unsere Lebensgrundlage, die wir hegen und pflegen müssen. Dazu gehört, die planetaren Grenzen anzuerkennen und sich genau zu überlegen, in was wir unsere wertvollsten Ressourcen – Zeit, Geld und Herzblut – fließen lassen – und in was eben nicht.

 

Kann ich in Biodiversität investieren?

Im Kampf gegen den Klimawandel werden in den nächsten Jahren riesige Finanzströme mobilisiert – aber was ist mit der Biodiversitätskrise? Kannst du durch deine Geldanlage zur Lösung beitragen?

Derzeit ist die Wirtschaft überwiegend linear ausgerichtet und somit biodiversitätszerstörend statt -erhaltend. Gerade die großen Konzerne, die den besten Zugang zum Kapitalmarkt haben, extrahieren und verbrauchen Unmengen an natürlichen Ressourcen und sind noch weit entfernt von wirklich regenerativen Geschäftsmodellen. Daran ändern auch gute Nachhaltigkeitsratings und -berichte nichts.

Es gibt tatsächlich Ansätze für wirtschaftliche Tätigkeiten, die sich positiv auf die Biodiversität auswirken und eine finanzielle Rendite bringen. Ein Beispiel sind Agroforste, die auf ehemals degradierten Flächen entstehen. Der Boden wird regeneriert und Nahrung zum Verkauf erzeugt, gleichzeitig erhöht sich die Artenvielfalt in diesen Gebieten wieder. Die Möglichkeiten, in solche Projekte zu investieren, sind für Kleinanleger aber noch recht beschränkt und außerdem risikoreich.

Insofern läuft es im Moment eher darauf hinaus, durch die eigene Geldanlage der Biodiversität nicht zu schaden. Du kannst bei der Auswahl von Wertpapieren auf den Fußabdruck (angerichteter Schaden) und Handabdruck (positiver Beitrag) achten. Besonders problematisch sind unter anderem:

    • Massentierhaltung
    • Regenwaldzerstörung
    • Bergbau
    • Pestizide und Herbizide
    • Unternehmen, die besonders viel Müll produzieren – in der Lebensmittelbranche zum Beispiel Coca Cola Inc. als der größte Plastikverschmutzer der Welt
    • Fossile Brennstoffe

Dagegen könnten Ansätze für einen positiven Handabdruck zum Beispiel sein:

    • Müll- und Abwassermanagement
    • Lösungen für Energieeinsparungen und Reduzierung von Flächenverbrauch
    • Regenerative Forstwirtschaft, Biolandbau, pflanzliche Proteine

Das sind auch Investmentthemen, die einige der Fonds in unserer Auswahl verfolgen.

 

Noch ein Hinweis: Biodiversität ist noch neu auf der Agenda der meisten Finanzdienstleister, das Wissen und echtes Engagement leider gering. Da das Thema aber langsam in den Fokus der Öffentlichkeit gerät, gibt es nun die ersten Finanzprodukte dazu. Hier ist erhöhte Vorsicht vor wirkungslosen Produkten oder sogar Greenwashing angebracht. Ein Beispiel: Der ETF „Ossiam Food for Biodiversity UCITS“ investiert in Fastfoodketten wie McDonald’s und kontroverse Nahrungsmittelkonzerne wie Nestle und Unilever. Was daran biodiversitätsfördernd sein soll, bleibt ein Rätsel.

 

 

Weitere Möglichkeiten, unser Geld für die Biodiversität arbeiten zu lassen

Wenn man sich die Treiber des Artenverlust anschaut (siehe oben) wird schnell deutlich: Es geht nicht nur um grüne Produkte sondern ebenso um weniger Produkte. Die Strategien: Reduzieren, Vorhandenes verwenden, 2nd Hand kaufen, Lebensmittelverschwendung vermeiden…

Für das gesparte Geld könntest du dir zum Beispiel (Bio-)Produkte aus nachhaltigem Anbau gönnen – unter anderem um den Pestizid- und Wasserverbrauch einzudämmen. Denk dabei nicht nur an Lebensmittel, sondern zum Beispiel auch an Textilien. Oder du gehst einen Schritt weiter und suchst nach naturpositiven Produkten – einige kleine Anbieter von Schokolade, Nüssen, Kaffee beziehen ihre Produkte aus nachhaltigen Agroforstsystemen, die auf degradiertem Land gepflanzt wurden.

Im eigenen Umfeld, deinem Haushalt oder deiner Stadt, kannst du in alles investieren, was die lokale Tier- und Pflanzenwelt unterstützt – vom Gartenteich über die Wildblumenwiese bis zur Streuobstwiese. Und natürlich kannst du auch spenden an Vereine und Projekte, die sich für die Biodiversität einsetzen – sowohl vor Ort als auch in anderen Teilen der Welt. Denn ohne das praktische und politische Engagement dieser Naturschützer wäre bereits noch viel mehr Lebensraum für Pflanzen und Tiere verschwunden.

 

Quellen:

Zusätzlich zu den im Text verlinkten Seiten haben wir uns für das Schreiben dieses Artikels insbesondere mit diesem Buch informiert:

„Was hat die Mücke je für uns getan?“ von Frauke Fischer und Hilke Oberhansberg, Oekom Verlag

In diesem Buch sind die komplexen Zusammenhänge wirklich interessant und einfach zusammengestellt (unbezahlte Empfehlung!).