Nachhaltige Geldanlage - Schluss mit Bullshit

Nachhaltige Geldanlage: Schluß mit Bullshit

Nicht nur im Finanzsektor – aber auch da – wimmelt es plötzlich von „grünen“ Unternehmen und Produkten. Um es einmal ganz klar zu sagen: Diese Claims und Namen sind erst Mal nur Schall und Rauch. Du solltest eher misstrauisch werden, wenn Schlagworte wie „nachhaltig“, „grün“, „sozial“, „verantwortungsvoll“ und so weiter gebraucht werden, ohne dass näher darauf eingegangen wird, was damit genau gemeint ist.

Ebenfalls hohes Bullshit-Potenzial haben Aussagen wie:

  • „Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA“
  • „Nachhaltigkeit ist der Kern all unseres Tuns“
  • „Wir pflanzen Bäume in (...beliebiges Land einsetzen, am besten ganz weit weg…) und unsere Klimaanlagen laufen mit grünem Strom (investieren aber weiter in fossile Energien und sitzen in protzigen Glastürmen, die aufwendig runtergekühlt werden müssen und ein ökologischer Alptraum sind…)
  • Und viele mehr…

Aber Moment mal – was heißt denn „Nachhaltigkeit“ oder „nachhaltige Geldanlage“ überhaupt? Es heißt doch immer, dass es gar keine allgemein gültige Definition gibt? Wie kommen wir dann zu solchen Aussagen?

 

Geld nachhaltig anlegen

Es stimmt, dass es nicht die eine rechtlich bindende Definition von „nachhaltige Geldanlage“ gibt. Es stimmt auch, dass „Nachhaltigkeit“ viele Facetten hat und manche davon untereinander konkurrieren (zum Beispiel können sich bestimmte Zielkonflikte zwischen Klimaschutz und Artenschutz auftun). Der Schluss „Deswegen muss jeder für sich entscheiden, was nachhaltig ist – anything goes“ ist jedoch fatal und öffnet Tür und Tor für Greenwashing aller Art.

Natürlich: Die eigene Geldanlage sollte mit den eigenen Werten vereinbar sein. Der eine findet es zum Beispiel nicht in Ordnung, in Alkohol zu investieren, weil Alkoholismus ein großes Problem für viele Millionen Menschen darstellt. Der andere trinkt selber gerne Alkohol und fragt sich, warum er eine Branche, die er mit seinem Konsum unterstützt, bei seinen Investitionen abstrafen soll. Beide Haltungen sind unserer Meinung nach OK. Was dagegen problematisch ist: Eine negative Meinung zu einem Thema zu haben, und trotzdem sein Geld dort reinfließen zu lassen – aus Bequemlichkeit oder wegen der guten Profite.

Und es hilft vielleicht, sich in diesem Zusammenhang den Begriff der Nachhaltigkeit nochmal vor Augen zu führen. Er stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Das Prinzip dort lautete, nie langfristig mehr Bäume aus einem Wald zu entnehmen, als man nachziehen kann. Also nicht so zu wirtschaften, dass es „an die Substanz“ geht, die irgendwann zwangsläufig aufgebraucht ist. Und andere (Menschen und Tiere, nachfolgende Generationen…) dafür zahlen zu lassen.

 

Unser Verständnis einer nachhaltigen Geldanlage:

  • Geld nachhaltig anzulegen bedeutet, sicherzustellen, dass unser Geld keine unvertretbaren Risiken oder Schäden (ökologisch oder sozial) finanziert oder indirekt fördert.
  • Unvertretbar ist für uns ein Wirtschaften, das keine Rücksicht auf planetare Grenzen und ethische Grundstandards (zum Beispiel Menschenrechte) nimmt.
  • Wir wollen, dass unser Geld Teil der Lösung ist. Deswegen sind natürlich Unternehmen, die grüne Technologien an den Start bringen, interessant. Aber auch solche, die es schaffen, „konventionelle“ Produkte mit einem viel kleineren Fußabdruck anzubieten (wobei Fußabdruck sich nicht nur auf CO2 bezieht – es geht auch um natürliche Ressourcen wie Wasser und Böden, intakte Ökosysteme und vieles mehr).
  • Und die Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg soll ebenfalls gegeben sein.

 

Mit diesem Verständnis sind viele als „grün“ bezeichneten Anlageprodukte, die momentan am Markt sind,  jedoch leider nicht kompatibel. Zum Beispiel:

  • „Grüne“ Fonds / ETFs, die nach dem Best-in-Class-Prinzip zum Beispiel in Ölriesen oder die größten Plastikverschmutzer der Welt (CocaCola, PepsiCo…) investieren – nur weil die das beste „ESG-Rating“ haben. Die Frage ist ja immer, wie es zu diesem guten Rating kommt. Vielleicht haben diese Unternehmen eine tolle Nachhaltigkeitsstrategie aufgeschrieben (aber setzen sie sie auch um? Und deckt sie wirklich alle wichtigen Punkte ab?). Vielleicht nutzen sie Recycling Druckerpapier, haben Solaranlagen auf dem Dach und spenden in einen Kinderhilfsfonds – ja, das ist alles besser als nichts, aber trotzdem gehören sie nicht in ein „grünes Investment“. Denn ihr Kerngeschäftsmodell steht einfach nicht im Einklang mit den planetaren Grenzen.

 

  • „Grüne“ Fonds / ETFs, die in oben genannte Unternehmen investieren, weil es sie „ja immer geben wird“. Das beliebte Argument dazu lautet: „Wir begleiten den Wandel lieber mit – wenn keiner mehr in diese Unternehmen investiert, fehlt ihnen ja das Geld zur Transformation“. Für Verbraucher klingt das völlig logisch und alle können sich wieder schlafen legen. Aber bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese Aussage als Bullshit. Erstens: Shell, BP, CocaCola, Bayer etc. wird in absehbarer Zeit nicht das Geld ausgehen, nur weil ethisch motivierte Kleinanleger sich abwenden (sie könnten jedoch durchaus ins Denken kommen).  Zweitens: „Den Wandel begleiten“ bedeutet richtig Arbeit! Wenn man sowas behauptet, muss man dann auch wirklich die Ärmel hochkrempeln und ein laufendes und messbar erfolgreiches Engagement betreiben. Engagement bedeutet, sich beim Management des investierten Unternehmens aktiv für Verbesserungen einzusetzen und fortlaufend und transparent darüber zu berichten. Da reicht nicht ein Brief, den man mal zusammen mit 100 anderen Asset Managern an die Unternehmensleitung schickt.  Und – ganz wichtig – man muss auch bereit sein, sich von dem Investment in letzter Konsequenz zu trennen, falls das Engagement nicht fruchtet.

 

  • „Grüne Kryptowährungen“ die weniger Strom verbrauchen als es zum Beispiel der Bitcoin tut – ok toll, aber wo ist der ökologische oder gesellschaftliche Nutzen?

 

  • Investments in „grüne Start-Ups“, die die 30te App rausbringen, mit der man den CO2-Fußabdruck seines Hamsters analysieren kann – wenn das Unternehmen weder Produkte mit Wirkung noch auf Dauer wirtschaftliche Erfolgsaussichten hat, hat mein Geld auch keinen Impact erzielt – dann kann ich es lieber gleich spenden.

 

Grüne Mogelpackungen bei der Finanzanlage

Ein paar Beispiele gefällig?

Der MSCI World Index bildet die Börsenkurse von ungefähr 1.600 der größten börsennotierten Unternehmen weltweit ab. Sehr beliebt sind ETFs, die diesen Index abbilden- Wer jedoch nicht in Öl- oder Tabakgiganten investieren möchte, findet mittlerweile alle möglichen grünen Versionen dieses Index. Hier werden nicht nachhaltige Unternehmen entfernt oder untergewichtet.

Es gibt zum Beispiel etliche ESG Versionen des MSCI World, sogenannte „low carbon“ Indizes oder „SRI“-Versionen. Letzteres steht für „socially responsible investing“ und gilt als die strengste Auswahl – hier soll nur die Creme de la Creme in Sachen Nachhaltigkeit aus den MSCI World Unternehmen aufgenommen werden. Schauen wir uns die einmal an. Hier siehst du die Top 10 Unternehmen (Stand 19.9.’23) im ETF „iShares MSCI World SRI UCITS ETF EUR“:

 

Namen der Top 10 Unternehmen in einem grünen "SRI MSCI World" ETF

 

Überrascht? Neben Pharmariesen und Tech-Unternehmen stechen hier besonders CocaCola und PepsiCo ins Auge – von NGOs als die beiden größten Plastikverschmutzer des Planeten gebrandmarkt! Tesla ist als Vorreiter der E-Mobilität zwar in vielen grünen Fonds zu finden, die Firma und ihr exzentrischer CEO stehen jedoch sowohl in punkto Arbeitsrechte als auch Corporate Governance unter Beobachtung. Und ob eine Baumarktkette (Home Depot) zu den drängendsten Problemen der Menschheit einen entscheidenden Beitrag leisten kann, ist auch diskutabel.

Kommen wir zu Krypto. Ein großes Problem der Branche ist der immens hohe Stromverbrauch, der bei der Validierung der Transaktionen auf der Blockchain anfällt. Das ist zum Beispiel beim Bitcoin der Fall. Andere Kryptowährungen kommen mit weniger stromintensiven Verfahren aus. Das ist natürlich gut, aber macht es noch lange nicht zu einem „nachhaltigen Investment“. Sogenannte Kryptowährungen sind Spekulationsobjekte, und keine Investments in eine nachhaltige Gesellschaft. Das ändert sich auch nicht durch Baumpflanzaktionen oder ähnliches (davon abzugrenzen sind sogenannte Impact Tokens. Diese werden auf der BlockChain strukturiert und ermöglichen Investments mit hoher sozialer oder ökologischer Wirkung – etwa den Ausbau von Solarstrom im globalen Süden. Solche Impact Tokens sind in der Tat „tiefgrün“. Diese Produkte stecken aber noch in den Kinderschuhen).

 

Grüne Geldanlage: Was tun die Gesetzgeber?

Du merkst, wenn man genauer hinschaut lichtet sich das Angebot der tausenden super nachhaltigen Produkte schnell und vieles entpuppt sich als gar nicht so grün. Angesichts solche Missstände sind viele Menschen schockiert und rufen nach dem Gesetzgeber. Es kann doch nicht sein, dass eine Privatperson all das durchschaut! Wir brauchen klare Standards! Ein Label, das mir ganz genau sagt, welche Geldanlage nachhaltig ist und welche nicht!

Nun, die Regulatoren tun allerhand in die Richtung. Unter anderem mit der EU-Offenlegungsverordnung, aus der sich eine Klassifizierung in sogenannte „Artikel 6 Produkte“ ( nicht nachhaltig) , „Artikel 8 Produkte“ (berücksichtigen wie auch immer Nachhaltigkeitskriterien) und „Artikel 9 Produkte“ (verfolgen ein nachhaltiges Ziel) ergibt. Die EU-Taxonomie (die derzeit jedoch nur für die zwei Ziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ final ausgearbeitet ist) listet anhand von übergeordneten Umweltzielen nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten auf (ist aber mit der heftig umstrittenen Aufnahme von Gas und Atomkraft für viele nicht mehr so glaubwürdig). Verstärkte Regelungen gegen Greenwashing sollen bestimmte unbegründete Bezeichnungen verbieten.

Diese Initiativen sind nicht sinnlos, werden aber nicht alle Probleme aus der Welt schaffen. In der Finanzbranche wimmelt es außerdem nicht gerade von Menschen, die  über das nötige Wissen über komplizierte Wechselwirkungen in Ökosystemen verfügen. Schnell werden nur einzelne Kennzahlen – Beispiel: CO2-Equivalente – berücksichtigt, aber das große Ganze nicht verstanden.

Wir – persönlich – müssen uns also auch weiterhin genau ansehen, wem wir unser Geld geben, und wie diese/r es einsetzt. Die beachtenswerten Punkte unterscheiden sich je nach Form der Geldanlage.

 

Wie kannst du eine nachhaltige Geldanlage erkennen?

Wie also kannst du eine Geldanlage finden, auf der nicht nur grün steht, sondern die auch grün ist? Du hast zwei Möglichkeiten.

Die erste: Du informierst dich. Lernst die Produkte kennen. Nur wenn du verstehst, wie einzelne Finanzprodukte funktionieren (eine Aktie zum Beispiel, eine Anleihe oder ein Darlehen, das eine Bank ausreicht; den Unterschied zwischen Primär- und Sekundärmarkt etc.) kannst du die verschiedenen Hebelwirkungen für Nachhaltigkeit erkennen und bewerten. Wir schreiben hier im Blog über die Basics der Geldanlage und nachhaltiges Investieren. Lies mal rein! Es ist kein Hexenwerk.

Oder: Du nutzt unsere Zukunft Schenken Auswahl. Hier haben wir die harte Arbeit gemacht und Produkte ausgewählt, die wir guten Gewissens als „grün“ bezeichnen. Dabei gibt es durchaus Abstufungen und wir bemühen uns, ganz genau zu erklären, wo und inwieweit wir die nachhaltige Wirkung sehen. Hier findest du unsere aktuelle Auswahl.

Berücksichtige dabei, dass der Verzicht auf weniger nachhaltige Unternehmen und besonders problematische Branchen eine geringere Risikostreuung mit sich bringt. Es kann also aus Risikogesichtspunkten durchaus sinnvoll sein, auch konventionelle Produkte dazu zu nehmen. Zum Beispiel einen billigen ETF als Basisinvestment. Oder ein sicheres Festgeld mit guter Verzinsung bei einer konventionellen Bank. Aber mach dir dann ehrlicherweise klar, dass dies keine nachhaltigen Anlageprodukte sind (egal wie sie heißen und was der Anbieter sagt).

Deine Geldanlage ist einer deiner größten Hebel, um nachhaltige Entwicklung zu forcieren. Es ist es wert, sich damit auseinanderzusetzen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Damit dein Geld nicht nur keinen Schaden anrichtet, sondern Gutes ermöglichen kann.