Wie finde ich einen richtig grünen Fonds?
Gibt es Kriterien für einen richtig grünen Fonds? Mittlerweile gibt es in Europa fast 10.000 als „nachhaltig“ deklarierte Fonds und ETFs*. Wie soll man da die Spreu vom Weizen unterscheiden? Dieser Frage widmen wir uns in diesem Beitrag. Dabei fokussieren wir uns besonders auf Aktienfonds.
Inhaltsverzeichnis
Hand- und Fußabdruck bestimmen die Nachhaltigkeit
Das Wort „Nachhaltigkeit“ wird leider in den letzten Jahren überstrapaziert und vielfach falsch oder verkürzt interpretiert. Dennoch sprechen wir zur besseren Lesbarkeit in diesem Beitrag von „nachhaltigen“ bzw. „grünen“ Fonds. Damit meinen wir Fonds, die sich für verantwortungsvolle Investoren / Investorinnen eignen und die ökologische und soziale Dimension als Grundlage der langfristigen Wirtschaftlichkeit anerkennen. Geld wird nachhaltig angelegt, wenn:
- es in Produkte, Unternehmen, Projekte fließt, die keinen gesellschaftlichen Schaden (Social, Governance) sowie möglichst wenig Belastung der Umwelt (Fußabdruck) verursachen
- gezielt gute Dinge finanziert werden (Handabdruck) – dies können grüne Technologien und Infrastruktur sein, aber auch soziale Strukturen etc.
Eine Fondsgesellschaft investiert das ihr anvertraute Geld in verschiedene Unternehmenswerte. Nun kann man sich überlegen: Auf welche Weise und in was sollte sie das Geld anlegen, um sicherzustellen, dass die oben genannten Ziele erreicht werden? Daraus lassen sich Kriterien für „richtig grüne“ Fonds ableiten. Auf diese schauen auch wir bei Zukunft Schenken, wenn wir Fonds für unsere Auswahl aussuchen. Es müssen dabei nicht alle Kriterien erfüllt sein, das Gesamtbild ist entscheidend.
1. Transparenz
Transparenz ist eines der wichtigsten Kriterien für uns, wenn wir einen nachhaltigen Fonds auswählen. „Richtig grüne“ Anbieter sind in der Regel überdurchschnittlich transparent, können und wollen ihr Anlagekonzept ganz genau erklären.
Es gibt zwar auch gesetzliche Vorgaben, die alle Anbieter eines als „nachhaltig“, „ESG“, „reponsible“ oder sonst wie als „grün“ benannten Fonds verpflichten, zu erklären, was genau damit gemeint ist. Diese Information muss in den offiziellen Verkaufsunterlagen enthalten sein. Das sieht in der Praxis aber zum Beispiel so aus:
Das Fondsmanagement schließt Unternehmen aus, deren Produkte negative soziale oder
ökologische Auswirkungen haben, während Unternehmen mit einem
starken ESG-Score übergewichtet werden. Darüber hinaus soll die
Performance einer Strategie abgebildet werden, die Wertpapiere auf der Grundlage
der mit dem Klimawandel verbundenen Chancen und Risiken neu
gewichtet, um die Mindestanforderungen der EU Climate Transition
Benchmark (EU CTB) zu erfüllen.
Richtig schlau wird man daraus als Laie nicht. Deswegen sind die freiwilligen Informationen der Anbieter so wichtig für die Beurteilung. Vorbildliche Transparenz, wie sie einige von unseren Lieblingsfonds leben, kann u.a. so aussehen:
- Auf der Homepage des Anbieters finden sich ausführliche Informationen zu seinem Nachhaltigkeitsverständnis, dem Investmentansatz sowie eine präzise Erklärung, in welche Geschäftsfelder nicht investiert wird. Die Informationen sind auch für Laien verständlich und nicht im hintersten Winkel des Webauftritts versteckt
- Es werden regelmäßig alle aktuellen Positionen im Portfolio veröffentlicht
- Es werden regelmäßig Updates angeboten, zum Beispiel in Form von Webinaren oder Newsletter. Dabei geht der Anbieter nicht nur auf die Wertentwicklung des Fonds ein, sondern erklärt zum Beispiel auch, welche Unternehmen aus Nachhaltigkeitsgründen aus dem Portfolio entfernt wurden.
2. Investmentprozess
2.1. Analyse, Auswahl der Titel
Ambitionierte Fondsanbieter verlassen sich nicht auf externe Nachhaltigkeitsratings, sondern bauen eigene Research-Teams und viel Expertise auf. Der Auswahlprozess ist mehrstufig: Zuerst wird aus dem gesamten Investment-Universum der Teil rausgefiltert, der aus Nachhaltigkeitsgründen nicht investierbar ist. Erst im zweiten Schritt suchen die Fondsmanager aus den restlichen Unternehmen die Kandidaten aus, die wirtschaftlich am attraktivsten sind.
Der Investmentprozess sollte auf der Website des Anbieters oder auf Nachfrage detailliert erklärt werden.
2.2 Divestment
Manchmal werden negative Tatsachen zu einem Unternehmen bekannt, nachdem bereits investiert wurde. Oder das Unternehmen richtet sein Geschäftsfeld neu aus, es tauchen neue Kontroversen auf oder es passt aus einem anderen Grund nicht mehr in das Nachhaltigkeitskonzept. Dann muss das Fondsmanagement schnell reagieren. Wenn das Unternehmen die Zweifel nicht ausräumen kann bzw. seinen Kurs nicht ändert, muss konsequenterweise eine Trennung erfolgen. An folgendem kannst du erkennen, wie gut ein Fonds in diesem Punkt ist:
- Wie regelmäßig und gründlich prüft das Fondsmanagement sein bestehendes Portfolio auf Verstöße? Welche Datenquellen nutzt es dazu?
- Gibt es klare und verbindliche Eskalations- und Entscheidungsprozesse für den Fall eines Verstoßes? Darin sollte festgelegt sein, wie schnell ein Unternehmen kontaktiert werden muss, und unter welchen Umständen der Verkauf der Aktien eingeleitet wird.
2.3. Nachhaltigkeitsbeirat
Kein Muss, aber ein zusätzliches Qualitätsmerkmal: Einige tiefgrüne Fonds haben einen unabhängigen Beirat, der mit Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft besetzt ist, und das Fondsmanagement in Sachen Nachhaltigkeit berät.
3. Vermeidung von Investitionen in schädliche Wirtschaftsaktivitäten (Fußabdruck)
3. 1. Ausschlüsse, Negativkriterien
Ein grüner Fonds stellt durch entsprechende Ausschlüsse und Negativkriterien sicher, dass nicht in schädliche Geschäftsmodelle investiert wird. Was schädlich ist, ist sicher zum Teil Ansichtssache, da auch die eigenen Werte und Vorstellungen eine Rolle spielen (Beispiel: Alkohol, Abtreibung).
Eine Marketingaussage wie „Wir investieren nicht in Tierleid“ oder „Keine Waffen“ sagt im Grunde nichts aus. Auf folgende Punkte kannst du achten:
- Gibt es Umsatzschwellen? Beispiel: Eine Umsatzschwelle von 20 % bedeutet, dass der Fonds in die ausgeschlossene Aktivität doch investieren kann, so lange sie nicht mehr als 20 % vom Unternehmensumsatz ausmacht. Hinweis: Umsatzschwellen von 5 % sind allerdings bei den meisten – auch sehr nachhaltigen – Fonds normal und werden eher aus Haftungsgründen definiert, und meist gar nicht beansprucht. Im Zweifel hilft, direkt beim Fondsmanagement nachzufragen!
- Was umfasst der Ausschluss alles – nur die Produktion, oder zum Beispiel auch den Vertrieb oder die Vorprodukte?
- Macht der Anbieter irrelevante Aussagen, zum Beispiel indem bei einem Energiefonds besonders betont wird, dass nicht in Tabak und Pornographie investiert wird? Das fällt unter Greenwashing (Betonung eines einzelnen, unwichtigen Merkmals)
Es gilt jedoch nicht pauschal: Je mehr Ausschlüsse, desto nachhaltiger der Fonds. Durch zu strikte Ausschlüsse kann gegebenenfalls nicht in Unternehmen investiert werde, die eigentlich gut in eine nachhaltiges Portfolio passen würden. Ein Beispiel: Ørsted S/A hat sich von einem fossilen Energiekonzern zum Weltmarktführer in Offshore-Windkraft entwickelt hat, bereits um die 90 % der Energieerzeugung stammt aus den Erneuerbaren. Deswegen findet es sich auch in seriösen grünen Fonds, obwohl das Unternehmen noch einen kleineren Teil seiner Umsätze in fossilen Energien macht.
3.2 Normbasiertes Screening
Durch Screening gegen bestimmte, international anerkannte Normen (etwa zum Schutz der Arbeits- und Menschenrechte) werden sowohl potenzielle neue Investments überprüft, als auch laufend die Unternehmen, die schon im Portfolio sind. Dazu benutzen die Fondsmanager externe Datenbanken, die Informationen zu potenziellen Verstößen sammeln. Meist wird differenziert nach „Schweregrad“ (schwere oder moderate Kontroversen) sowie nach Quelle (zum Beispiel Pressebericht oder bereits bestätigtes Gerichtsurteil). Hier kommt es auf die konkrete Umsetzung durch das Fondsmanagement an. Es sollte nicht nur bei sehr schweren Kontroversen, zu denen bereits ein Gerichtsurteil ergangen ist, tätig werden. Sondern alle Entwicklungen im Portfolio aufmerksam verfolgen und wo nötig früh in den Dialog mit dem betroffenen Unternehmen gehen.
4. Erzielen einer positiven Wirkung
Eine (unter Umständen auch konkret messbare) positive Wirkung kann man erreichen:
- indem man das Geld in positive Geschäftsmodelle lenkt
- durch das eigene Verhalten als verantwortungsvoller Investor.
4.1. Investieren in Pure Players
Pure Players sind Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf die Lösung eines bestimmten Problems, auf die Bereitstellung einer grünen Technologie oder das Erreichen eines Nachhaltigkeitsziels fokussiert ist. Im Gegensatz dazu gibt es bei den großen Mischkonzernen zwar ebenso entsprechende Sparten, aber eben auch noch das „traditionelle“ Geschäft. Mit der Investition in Pure Players konzentriert man sein Kapital auf zukunftsgerichtete Technologien.
4.2. Teilnahme an Aktienemissionen
Pure Players sind in der Regel kleine oder mittlere Unternehmen, oftmals relativ jung und daher darauf angewiesen, für ihr Wachstum weiteres Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen. Unter anderem durch die Emission von neuen Aktien. Ein Fonds kann direkte nachhaltige Wirkung erzielen, wenn er neu emittierte Aktien kauft, denn dadurch fließt zusätzliches, frisches Geld ins Unternehmen.
In der Regel finden die Aktienkäufe dagegen auf dem Zweitmarkt statt. Hier wechselt die Aktie ihren Besitzer, dem Unternehmen fließt aber kein neues Geld zu. Allerdings wird der Aktienkurs, der für die Unternehmen sehr wichtig ist, gestützt.
4. 3 Engagement
Engagement bedeutet, mit den investierten Unternehmen in den Dialog zu treten, um möglichst positive Änderungen zu erwirken und umwelt- oder soziale Fragen auf die Agenda zu bringen.
Manche nachhaltige Fonds setzen stark auf Engagement. Sie investieren bewusst (nicht) nur in Pure Players, sondern auch in Unternehmen, die noch nicht „grün“ sind, um sie auf ihrem Transformationsweg zu begleiten und Verbesserungen anzustoßen. Der Ansatz ist nachvollziehbar, muss aber realistisch sein. Bei kleinen und mittleren Unternehmen hat die Stimme eines Fondsmanagements mehr Gewicht, als bei großen Konzernen. Wenn der Fonds also auf sein vorbildliches Engagements hinweist, sollte insbesondere folgendes zutreffen:
- Es liegt eine klare Engagement Richtlinie vor, die die Aktivitäten genau beschreibt. Diese sollte auch aussagen, was passiert wenn das Engagement nicht fruchtet (Divestment, s.o.)
- Es wird regelmäßig über aktuelle Engagement-Aktivitäten und Erfolge berichtet.
4.4 Voting
Auch die Ausübung der Aktionärs-Stimmrechte kann eingesetzt werden, um Druck bei ökologischen und sozialen Fragestellungen zu machen. Hier könnt ihr auf folgende Punkte achten:
- Übt die Fondsgesellschaft die Stimmrechte aus?
- Wird über das eigene Abstimmungsverhalten berichtet? Wie häufig, und wie detailliert? Welche Anträge zu ökologischen oder sozialen Themen hat die Fondsgesellschaft auf der Hauptversammlung unterstützt? Einige Fondsanbieter veröffentlichen auf ihren Websites offizielle Berichte zu ihrem Engagement und Abstimmungsverhalten
5. Anbieter-Profil
Zum Schluss könnt ihr euch noch das Profil des Anbieters selbst vornehmen. Handelt es sich dabei um einen „Überzeugungstäter“, der nur tiefgrüne Fonds im Angebot hat? Oder um die Investmentgesellschaft einer Großbank, die auch viele konventionelle Produkte im Regal hat? Was hat der Anbieter für ein Profil in der Szene? Ist das Thema Nachhaltigkeit schon seit vielen Jahren auf der Agenda?
Grundsätzlich muss ein Fonds nach den für ihn festgelegten Anlagerichtlinien verwaltet werden, auf diese kommt es also in erster Linie an. In der Praxis kommen die „grünsten“ Produkte dennoch oft von auf Nachhaltigkeit spezialisierten Anbietern. Diese achten meist auch besonders auf ihre eigene Nachhaltigkeit (eigene CO2e Emissionen, Dienstwagen- und Reiserichtlinien etc.). Abgesehen davon ist es eine persönliche ethische Überlegung, ob man mit Vermögensverwaltern wie Blackrock und Vanguard (die größten ETF-Anbieter), DWS , UBS etc. anlegen möchte, die weiter auch große Anteile an schmutzigen Branchen wie der Fossilindustrie halten.
6. Nicht „grün“ (unsere Meinung)
Zur Einordnung noch ein paar Worte zu Fonds & ETFs, die unserer Auffassung nach nicht als „nachhaltig“ bezeichnet werden sollten:
- ETFs oder aktiv gemanagte Fonds, die (lediglich) „ESG-Integration“ betreiben. ESG-Integration meint, dass im Auswahlprozess und Risikomanagement auch Faktoren aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung berücksichtigt werden. Das Augenmerk liegt hier zu Beispiel darauf, wie künftige Klimaentwicklungen ein Unternehmen (negativ) beeinflussen könnten. Wenn also ein Ölkonzern nach Ansicht des Fondsmanagers die ESG-Risiken gut im Griff hat, spricht nach diesem Ansatz nichts gegen ein Investment. Fazit: ESG-Integration gehört zwingend zu einem guten Risikomanagement, ist allein aber kein Qualitätsmerkmal für einen besonders nachhaltigen Anlagestil.
- Das selbe gilt für „Best-in-class“. Nur weil ein Unternehmen zum Beispiel zu den „besseren“ 50 % seiner Branche gehört, macht dies das Unternehmen nicht automatisch besonders „grün“.
- Gleiches gilt für die Standard-Ausschlusskriterien wie „Waffen“, „Tabak“ oder „Pornographie“, die zwar eine Basis sind, aber unbedingt durch weitere Qualitätsmerkmale (s.o.) ergänzt werden sollten.
- Vor allem braucht man unserer Ansicht nach für „echte Nachhaltigkeit“ einen differenzierten Ansatz, qualitative Analysen durch das Fondsmanagement, kontinuierliche Überprüfung und gegebenenfalls Korrekturen – zur Not auch auf Kosten der kurzfristigen Rendite. Dies ist bei ETFs, die einen festen Index nachbilden, so nicht möglich. Deswegen haben wie aktuell nur aktiv gemanagte Fonds in unserer Auswahl. Das Angebot entwickelt sich aber stetig weiter, und wir werden beobachten, ob und welche nachhaltigen und diversifizierten ETF auf den Markt kommen.
Quellen
*Artikel 8, Artikel 9, SFDR und Taxonomie-Verordnung… | Morningstar